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Das Pferd des Mahdi

Von Uri Shani

“Was ist die Geschichte anderes als eine Lüge, über die alle sich einig sind?" Napoleon Bonaparte

 

Figuren:

Suliman der Gerechte, der Herrscher im ganzen Gebiet zwischen Gaza und Beirut, mit Sitz in Akko, mehr als 70 Jahre alt, adygeischen Ursprungs, spricht türkisch

Haim Farhi, sein Finanzminister, ungefähr 60 Jahre alt, jüdisch-damaszener Herkunft, spricht arabisch, ein Ohr und seine Nase wurden ihm abgeschnitten, ein Auge ausgestochen

Abdallah, 20 Jahre alt, der Sohn des Ali Aga, der vor vier Jahren gestorben ist, auch adygeischen Ursprungs, aber im Land geboren, spricht arabisch

Hester Stanhope, Abenteuerin, Entdeckerin und Archäologin aus England, 43 Jahre alt, spricht englisch und arabisch

Esther Farhi, Tochter von Haim Farhi, nach ihrer Grossmutter benannt, in Akko geboren, spricht arabisch und französisch

Le baron Louis Nicolas Philippe Auguste de Fourbin, ein französischer Maler, 40 Jahre alt

Antonio Catafago, europäischer Kaufmann, russischer Konsul, österreichischer Vizekonsul, in Aleppo geboren, aus einer italienischen Familie, ungefähr 50 Jahre alt, spricht verschiedene Sprachen, aber mit italienischem Akzent

Eine Semaphorentänzerin

Dr. Charles Lewis Meryon, Hesters Arzt, spricht englisch,

Maria Teresa Asmar, eine chaldäische Christin, 20 Jahre alt

Ein Übersetzer

Caroline of Brunswick, die nächste englische Königin

Anne Fry, die persönliche Dienerin von Hester, 30 Jahre alt

Mohammad Aga (abu Nabut), aus Jafa, war Ahmad al-Dschasars Chuschdasch, adygeischen Ursprungs, spricht arabisch mit türkischem Akzent,

Massud al-Mahdi, aus Atlit, spricht arabisch

Captain Lusteneau, oder „der alte Lusteneau“, ein französischer Offizier, ungefähr 60, mit einer Hakenhand wie Captain Hook,

der junge Lusteneau, sein Sohn

Um Abdallah, Abdallahs Mutter, ungefähr 40 Jahre alt,

Reb Mendele, vor kurzem aus Russland eingewandert, 50 Jahre alt, spricht Jiddisch

Zwei Schauspieler, erzählen Dschochageschichten und spielen im Puppentheater Karagöz

Der Geist der Ramchal (Rabbi Moshe Chaim Luzzatto)

Soldaten und Agenten

John Barker, der britische Konsul in Aleppo

Verschiedene Diener

Jüdische Betende in der Synagoge, die auch die vier Laienschauspieler sind

Zeit: Oktober 1819 bis August 1820

Ort: Dschun (südöstlich von Beirut), Akko

Dieses Bühnenstück basiert auf einer großen Menge von historischem Stoff, auf Biographien, Romanen, wie der Roman von Jehuda Burla „Sehnsucht“ aus dem Jahr 1943, und mehr. Ich habe fast nichts erfunden. Aber es kann gut sein, dass die Dinge sich nicht genau so begeben haben.

Die Tatsache, dass es geschehen ist, ist noch kein Grund, ein Stück zu schreiben. Ich hoffe, die Aufführung dieses Stückes wird die Dringlichkeit seiner Darstellung weitergeben.

Es ist unbedingt wichtig, dass die Macht des Auftrittes des stärksten Mannes im ganzen Nahen Osten, Haim Farhi, mit einem Ohr und einem Auge und ohne Nase, die Aufmerksamkeit des Lesers und des Regisseurs ergreife, und eine Bühnendarstellung dieser Figur muss den Widerspruch zwischen seiner Macht, seiner Begabung, seiner Klugheit, seiner Führerschaft und der ursprünglichen Schönheit auf der einen Seite und seiner unverschuldeten Hässlichkeit auf der andern Seite darstellen. Die andern Figuren dürfen sich dies nicht merken lassen, im Normalfall, aus Respekt. Die Aufführung des Stückes beinhaltet verschiedene Stile, u.a. ein Stil, der erfunden werden muss: die „Semaphortänze“: eine Tänzerin erzählt mit ihren Bewegungen, die von den Semaphoren kommen, die Tagesnachrichten, z.B.:

Le roi george le troisieme est mort.

(auf Französisch, denn die Semaphoren waren eine französische Erfindung) Die Bewegungen werden mit Untertiteln auf Französisch und deutsch übersetzt.

Die Sprache auf der Bühne ist deutsch. Aber keine der Figuren spricht deutsch, auch nicht hebräisch, sondern arabisch, französisch, englisch, Jiddisch, türkisch oder Ladino. Deswegen wird viel übersetzt auf der Bühne, was auch einen komischen Effekt erzeugt, denn die Übersetzung ist immer ein wenig ungenau.

Alle sprechen deutsch mit ihrem Akzent. Diejenigen, die arabisch sprechen (Farhi, Abdallah, Abu-Nabut, Massud, Maria, die Schauspieler und die Betenden) sollten irgendwie mit gutturalen Lauten ausgestattet werden.

Semaphortanz:

Des violences antisémites débutent le 2 août 1819 à Wurzbourg et s'étendent rapidement jusqu'à des régions assez lointaines comme le Danemark, la Pologne, la Lettonie et la Bohême. De nombreux Juifs sont tués, sans qu'on n'en connaisse le nombre exact, et beaucoup de propriétés et biens juifs sont détruits.

1

Hester Stanhope hat sich seit kurzem im alten Kloster von Dschun eingerichtet. Sie trägt die Tracht eines türkischen Pascha, saugt an einer Nargila, und verhält sich in allem wie ein orientalischer Mann und Besitzer. Sie erhielt das Grundstück vom Herrscher in Akko, Suliman der Gerechte, als Timar. De facto war es Haim Farhi, der das Geschäft abgewickelt hat, denn er ist es, der über alles entscheidet.

Hester liest einen Brief, es stehen ihr Tränen in den Augen, Anne Fry putzt, Lusteneau singt, nach einer Weile hält sie inne und hört ihm zu.

Partant pour la Syrie,
Le jeune et beau Dunois,
Venait prier Marie
De bénir ses exploits :
Faites, Reine immortelle,
Lui dit-il en partant,
Que j'aime la plus belle
Et sois le plus vaillant.

Il trace sur la pierre
Le serment de l'honneur,
Et va suivre à la guerre
Le Comte son seigneur ;
Au noble vœu fidèle,
Il dit en combattant :
Amour à la plus belle,
Honneur au plus vaillant.

On lui doit la Victoire.
Vraiment, dit le seigneur ;
Puisque tu fais ma gloire
Je ferai ton bonheur.
De ma fille Isabelle,
Sois l'Epoux à l'instant,
Car elle est la plus belle,
Et toi le plus vaillant.

A l'Autel de Marie,
Ils contractent tous deux
Cette union Chérie
Qui seule rend heureux.
Chacun dans la chapelle
Disait en les voyant :
Amour à la plus belle,
Honneur au plus vaillant.

Hester: (klatscht) Herrlich, Lusteneau! Und was ist das für ein Lied?

Lusteneau: Das ist ein Lied, das Hortense, die Königin von Holland, die Tochter von Josephine, die Napoleons Frau war.

Hester: Die ehemalige Königin von Holland, mein lieber französischer Freund.

Lusteneau: ehemalige, sicher ehemalige.

Hester: Alles ehemalig. Auch ich bin die ehemalige Königin der Wüste.

Lusteneau: Oh nein, das nicht.

Hester: Wie du eine ehemaliger General bist. Ehemaliger General Lusteneau –

Lusteneau: und Prophet, nicht ehemalig. (Er hebt die Bibel mit seiner einen Hand hoch.) Kannst du dich erinnern, was ich dir sagte, als wir uns zum ersten Mal trafen? „In diesem Moment flüchtet Napoleon von der Insel Elba.“

Hester: Damals wollte ich alles stehen und liegen lassen und ihn suchen. Deswegen bin ich wahrscheinlich hierher gekommen. (Sie lacht laut. Anne Fry erschrickt. Sie reicht Lusteneau Granatäpfel.)

Lusteneau: Wertes Fräulein, das ist sehr freundlich von Ihnen, aber die Granatäpfel sind mir zu sauer. Danke!

Hester: Gut, hab ich das nicht getan. Anne! (Sie macht Anne ein Zeichen, sie soll den obersten Knopf in ihrem Hemd zuknöpfen, denn der alte Lusteneau wird durch ihren Anblick erregt.)

Lusteneau: Und auch sie sind nicht ehemalig, Milady. Hier, hör zu, (er blättert in der Bibel) „Und es war so in andern Zeiten, als eine englische Frau kam und im Libanongebirge wohnte. Sie baute ihr Haus und ihre Macht, und ihre Macht war grösser als die Macht des Herrschers. Und ein Waise, dessen Vater starb, kam zu ihr, und dann kam der Mahdi, der alles eroberte, und Krankheiten und Erdbeben und anderes Unglück war verschwunden. Und der Mahdi ritt ein Pferd, das gesattelt geboren wurde, und die englische Frau ritt neben ihm.“

Anne Fry: (erschüttert) Damit sind Sie gemeint, gnädige Frau!

Hester: Ich habs verstanden, Anne Fry. Danke. (zu Lusteneau) Das steht in der Bibel?

Lusteneau: Nein. (Er zeigt ihr den Zettel, den er aus dem Buch nimmt.) Das hat mir Mata übersetzt.

Hester: Ah, Lusteneau! Vor neun Jahren war Milady Stanhope die rechte Hand des britischen Premierministers. Ich habe London verlassen, um Napoleon zu treffen, den Messias der Juden, und da ich als Engländerin französischen Boden nicht betreten durfte, fuhr ich bis nach Konstantinopel, um ein Visum zu erhalten, und da treffe ich den Franzosen hier. Nur dass ihm eine Hand fehlt. (Pause.) Was?

Lusteneau: Wenn ich dem Glauben schenken soll, werde ich bald sterben.

Hester: Wie bitte?

Lusteneau: „…Und ein Waise, dessen Vater starb, kam zu ihr, …“

Meryon: (kommt herein) Was ist geschehen?

Hester: Charles (Meryon und Lusteneau sind es nicht gewohnt, dass Hester Meryon mit seinem Vornamen anspricht.) … Bruce hat geheiratet.

Meryon: (zu sich) na endlich… (zu Hester) Das tut mir leid.

Lusteneau: Und wer ist Bruce?

Meryon. Der junge Liebhaber der Dame. Der ehemalige Liebhaber.

(Lusteneau und Hester lachen kurz. Dann wird Hester sofort sehr ernst.)

Hester: Meryon, versuchen Sie nicht, französisch zu sprechen. (zu Lusteneau)  Das ist der Dank, den Bruce mir heimzahlt dafür, dass ich ihn aus der Gefangenschaft bei Louis dem 18. befreit habe.

Lusteneau: Oh… Und wie haben Sie das gemacht?

Hester: Ich habe ihm geschrieben. Und daraufhin hat er ihn freigelassen, trotzdem er wegen Umsturzversuch verhaftet wurde.

Lusteneau: Na ja, dann auch meinerseits Kondolenzen.

Meryon: Mit Ihrem französischen Akzent hören sich Ihre Kondolenzen wie ein süß-säuselnder Morgensegen an. Der Rente, die Milady von der britischen Regierung erhält, ist nicht sonderlich hoch, und Bruce hat dem immer dazugegeben. Das wird jetzt wahrscheinlich aufhören.

Hester: Haben Sie das Buch fertiggelesen?

Meryon: „Stolz und Vorurteil“?

Hester: Ich bin ganz sicher, dass das die verstorbene Jane Austin ist.

Meryon: Komm schon, Lady Stanhope, nur wegen ihres traurigen Endes muss man nicht auch noch solche Geschichten über sie erfinden.

Hester: Dr. Meryon, Ihr Vorname ist zwar Charles, aber sie sind nicht mein Vater.

Meryon: Milady, die Stute, die sie von Emir Bashir erhielten, hat geworfen.

Hester: Und was hat sie geworfen?

Meryon: Es ist ja eher außergewöhnlich, dass ein Fohlen im Herbst geworfen wird, und es hat – einen Fehler.

Hester: Welchen Fehler?

Meryon: Sein Rücken… ist gebeugt.. wie wenn es…

Lusteneau: Ich wusste es!

Hester: (zu Anne) Warum haben Sie mir das nicht gesagt, Anne?

Anne Fry: Aber das hab ich doch!

Hester: Wann?

Lusteneau: Ich wusste es. Ich habs gesagt!

Hester: Auch Sie haben es mir gesagt?

Lusteneau: Es ist gesattelt geboren!

Hester: Ja, das stimmt! Das Pferd des Mahdi!

Meryon: Ich verstehe Ihren Enthusiasmus nicht so recht. Mein Französisch reicht offenbar nicht aus. Könnten Sie mir „gesattelt“ und „Mahdi“ übersetzen?

Hester: Mahdi ist nicht französisch, sondern arabisch, und ich habe Ihnen das schon erklärt, werter Meryon: der Mahdi, der 12. verschwundene Imam, wird am 10. des Monats Muharam wiederkommen, das ist in etwa drei Wochen. Er wird ein Pferd reiten, das gesattelt auf die Welt kam.

Meryon: Milady. (Pause) Wegen dieses Fehlers… bin ich nicht, ob diese Fohlen leben wird….

Lusteneau: Du Königin der Wüste! Du Königin von Palmyra! DU wirst den Messias anführen!

Anne Fry: Wollen Sie vielleicht, dass ich den Herrn hinausbegleite?

Hester: Als ich die Stute von Emir Bashir erhielt, sagte er mir, dass sie direkt von den Pferden des Königs Salomon abstammen. (zu Meryon) Schreiben Sie das auf: Im Jahre 1235 nach muslimischer Zählung, am 5. Oktober 1819 kam das Pferd des Mahdi auf die Welt! Und die Semaphore sollen es verbreiten!

Meryon: (zu Anne Fry) Sie wird uns noch alle ins Grab bringen mit ihren apokalyptischen Visionen. Neun Jahre in der Levante ist mehr als genug. Wir müssen sie nach Hause nach England bringen.

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2

In Akko herrschen Suliman der Gerechte und seine rechte Hand, Haim Farhi, über ganz Gross-Syrien.

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(Suliman, Abdallah, der Maler Fourbin, der Übersetzer, später Haim Farhi und zwei Schauspieler)

Suliman: Aber jetzt hast du mir doch eben noch gesagt, dass aus Beirut 15 Karawanen in Damaskus eingetroffen seien.

Abdallah: Nein, 12, entschuldige bitte. Ich war ein bisschen durcheinander.

Suliman: Das ist immer noch zu viel.

Abdallah: Na dann 10.

Suliman: Du verstehst nicht: Wenn das stimmt, ist es sehr schlecht.

Abdallah: Warum?

Suliman: Das heißt, dass dieses Kaff Beirut langsam wächst und floriert. Vielleicht wird’s noch mal wichtiger als Sidon oder Tyrus, und dann vielleicht noch mal wichtiger als Akko.

Abdallah: (lacht) Komm schon.

Suliman: Wir müssen mehr in Baumwolle investieren und dieses Getreide vergessen.

Abdallah: Aber Mu’allem Haim setzt doch alles auf das Getreide.

Suliman: Ja. Mu’allem Haim hat bestimmt recht. Er waltet und schaltet hier ja schon länger als ich, und ich bin auf Ahmad al-Dschasar erst vor 15 Jahren gefolgt. Mu’allem Haim versteht natürlich sehr viel mehr als ich. Er denkt, wir hätten keine Chance gegen die amerikanischen Baumwollpreise, denn die drücken die Preise damit, dass sie afrikanischen Sklaven die Baumwolle pflücken lassen.

Abdallah: Und hat er da nicht recht?

Suliman: Mein lieber Abdallah, das Zeitalter der Sklaverei ist vorbei. Dein Vater war ein georgischer Sklave. Aber du bist frei. Die Menschen sind frei geboren. Abdallah! (Er hebt die Hände vor lauter Aufregung. Sie zittern. Der Maler bedeutet ihm, er solle sie wieder senken. Er senkt sie und zittert nicht mehr.) Außerdem: Wenn Muhammad Ali so weitermacht in Ägypten, erstickt er uns völlig mit seiner Baumwolle. Und die Europäer haben sich wieder einmal so grausam abgeschlachtet, was den ganzen globalen Handel völlig verändert hat.

Abdallah: abgeschlachtet?

Suliman: Abdallah! Napoleon!

Abdallah: Ah, ah!! – Das ist der, den Mu’allem Farhi hier gestoppt hat.

Suliman: Genau. – Ah, hier kommt er ja!

(Haim tritt ein, verbeugt sich vor Suliman, aber nicht zu förmlich, Abdallah verbeugt sich allerdings sehr ausgiebig vor Haim.)

Suliman: Was hast du zu melden, Mu’allem Farhi?

Haim: Es wird euch nicht überraschen zu hören, dass die amerikanischen Baumwollpreise immer weiter sinken.

Suliman: Nein, und trotzdem wäre es unklug, weiterhin auf das Getreide herumzudreschen. Unsere Partner sind die Engländer, nicht die Franzosen. Deswegen ist ja der französische Konsul Filaboune weg nach Alexandrien und Farhi: Ach ja! Und vielleicht steckt da etwas Anderes dahinter? Nachdem der französische Konsul in Alexandrien erkrankte, suchte man jemand, der ihn ersetzen könnte, und Catafago vertritt hier inzwischen die französischen Interessen.

Suliman: Ich hoffe, das wird deine guten Beziehungen mit Catafago nicht verderben. Er ist zwar scharf wie ein Rasiermesser, und ein gewitzter Geschäftsmann, aber ziemlich nützlich, findest du nicht? Abdallah, ich möchte einen Report über die Lage unserer Truppen. Du kannst gehen.

Abdallah: Wird sofort gemacht. (zu Farhi) Ich wäre Ihnen zutiefst verbunden, wenn Sie mir Meldung machen könnten über die Wirtschaft der Truppen.

Farhi: Gerne, mein Sohn. „Eine Armee marschiert mit ihrem Magen“, nicht wahr? Das soll dieser falsche Messias Napoleon gesagt haben, und unser junge Abdallah kann auch ein Napoleon sein und die halbe Welt erobern! (Abdallah verbeugt sich und geht.)

Suliman: Aus Deinem Lächeln schließe ich, dass Deine Freundschaft mit Catafago den Franzosen nicht viel helfen wird.

Farhi: (meint den Maler) Was macht der da hier?

Suliman: Er malt mich.

Farhi: (ist es unangenehm, aber beherrscht sich) Also in der Sache dieses italienischen Händlers, Catafago. Wen vertritt Catafago eigentlich? Sowohl die Russen wie die Österreicher.

Suliman: Und du setzt auf die Engländer. Hast du etwas von Admiral Sidney Smith gehört?

Farhi: Wie sollte ich? Er ist verschwunden. Nach Waterloo. Aber wenn er wiederkommt, werden wir ihn königlich empfangen, nachdem er uns geholfen hat, Napoleon in alle Winde zu schlagen. Dieser möchtegern-Messias-Zwerg…

Suliman: Natürlich. Habe ich dir erzählt, dass ich letztes Jahr eines von Napoleons Schiffe gesehen habe?

Farhi: Hat er immer noch Schiffe?

Suliman: (lacht) Nein, ein untergegangenes. Im letzten Jahr war ich bei Abu-Nabut in Jafa. Und da haben wir in Tantura halt gemacht. Schöner Ort. Friedliche Fischer. Und Massud al-Mahdi aus Atlit hat uns empfangen. Und der hat mir das Schiff gezeigt.

Farhi: Vielleicht ist da Gold auf dem Schiff.

Suliman: Nur dass die Engländerin nichts davon hört! Das fehlt uns noch. Dann geht sie wieder auf Ausgrabungstour wie – wann war das schon wieder?

Farhi: Vor vier Jahren, in Ashkelon.

Suliman: Genau, in Majdal. Sie hat uns einen wertvollen Schatz versprochen. „Drei Millionen Goldmünzen!“ Ha!

Farhi: Ist Lady Stanhope nicht sehr beschäftigt in ihrer Burg da in Dschun, die Suliman: Du hast sie ihr gegeben.

Farhi: Ich hab sie ihr als Timar gegeben, mein Herrscher. Es ist sehr wichtig für uns, die Beziehungen mit den Engländern zu verstärken.

Suliman: Natürlich, natürlich. Ich zweifle ja Deine Entscheidungen nicht an, mein Freund.

Farhi: Danke, mein Herr.

Suliman: (zum Maler) Sag mal, warum müssen wir dieses Gespräch ausgerechnet hier führen, und nicht, wo ich normalerweise empfange?

Übersetzer: (zu Fourbin) Der erlauchte Pascha fragt, ob es möglich sei, in seinen Sitzungssaal zu wechseln?

Fourbin: (direkt zum Pascha) Nein, das geht nicht. Eine Frage der Ästhetik. Die Komposition der Farben muss für das Auge angenehm sein. Und die weiß-roten Marmorsäulen sind sehr gut dazu. Der Marmor ist ja sozusagen Ihr Kennzeichen.

Übersetzer: Der unterwürfige Maler entschuldigt sich zutiefst dafür, dass dies unmöglich sei. Er bewundert die Klugheit und Erhabenheit seiner Majestät. Natürlich hat der Pascha recht, und er freut sich, jeden Befehl seinerseits auszuführen, nur hat es dort keine Marmorsäulen.

Suliman: (lacht) Du meinst die Säulen, die Ahmed al-Dschasar von Cäsarea geholt hat?

Übersetzer: (zu sich) Ich dachte schon, ich sei hier völlig überflüssig.

(Zwei Schauspieler und ein Jüngling, der einen Koffer trägt, treten ein. Die Schauspieler sind unhöflich überrascht vom Aussehen von Farhi.)

Suliman: Ja bitte! Was kann ich für Euch tun?

Schauspieler: Erlauchter Pascha, wir sind zwei Schauspieler aus Damaskus und würden gern vor Ihnen auftreten.

Suliman: (zu Farhi) Kennst du die zwei?

Farhi: Erinnert sich der Herrscher denn nicht, dass ich Damaskus schon vor fast dreißig Jahren verlassen habe? Glaubt er denn wirklich, es gäbe eine Möglichkeit, dass ich sie kenne?(zu den Schauspielern) Aber erzählt mir doch, was so alles neu ist in Damaskus.

Schauspieler: Sie wissen ja: „Damaskus übertrifft in Schönheit jede Stadt in der Welt.“

Farhi: (lacht, zu Suliman) Sie zitieren Ibn Battuta, der das vor 480 Jahren geschrieben hat. Und der wird’s wissen. Er hat 120.000 Kilometer durch die gesamte islamische Welt gemacht. (zu den Schauspielern) Aber seither wurde sie von den Mongolen dem Erdbeben gleichgemacht.

Schauspieler: Die Umayyaden-Moschee steht noch immer.

Suliman: (zu den Schauspielern) Mu’allam Farhi ist Jude. Lassen wir das. Erzählt mir eine Geschichte!

Schauspieler: (besprechen sich, und dann: ) Dschocha überquert die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland, immer wieder, auf Eseln. Jedesmal hat er Säcke mit Stroh mit sich, und kommt ohne sie wieder. Jedesmal wird er von den Grenzpolizisten untersucht, und jedesmal sagt er: „Ich bin ein Schmuggler.“ Mit den Jahren wird Dschocha reich und siedelt sich in Ägypten an. Einer der Polizisten von damals fragt ihn: „Jetzt musst du dich ja nicht mehr fürchten vor mir, was hast du denn damals geschmuggelt?“ – „Esel“, sagt Dschocha.

(Suliman und Dschocha lachen.)

Suliman: Ich erlaube Euch, in Akko zu bleiben und Eurem überflüssigen, aber lustigen Metier nachzugehen. Das ist ja doch interessanter als die merkwürdigen Semaphoren-Auftritte, meinst du nicht? (zu den Dienern) Helft ihnen, im Chan el-Omdan eine Bleibe zu finden. (Zwei Schauspieler und ein Diener ab.) Ich möchte, dass wir die Sache Getreide gegenüber Baumwolle auch mit Catafago besprechen, aber auch mit Abdallah.

Übersetzer: (zu sich) Jetzt bin ich schon wieder überflüssig, noch mehr als die Schauspieler…

Farhi: Glauben Sie nicht, dass Abdallah noch ein wenig zu jung für das ist?

Suliman: Schon möglich, aber ich bin schon zu alt, und deswegen muss ich jetzt in den Hammam. (mit einem Diener ab, auch der Maler. Der Jüngling, der mit den Schauspielern kam, entpuppt sich als Esther, die Tochter von Haim.)

Esther: Vater!

Farhi: Esther, meine Tochter! Was machst du hier? Wie bist du an den Wächtern vorbeigekommen?

Esther: Ich muss dir erzählen –

Farhi: Was denn?

(Pause)

Esther: Vater, ich liebe dich.

Farhi: Oh! Das sind aber gute Nachrichten! Herrliche Nachrichten! Was ist denn geschehen?

Esther: Danke! Danke für all das Gute und Schöne, das du mir zuteil werden lässt! Die Schmuckstücke und die teuren Tücher und die besonderen Gewürze! Du und Abdallah seid euch näher gekommen. Und das gefällt mir.

Esther: Oh, Vater! (Sie versucht, etwas zu sagen, schafft es aber nicht.)

Farhi: Ich dachte immer, du bekämpfst ihn, stichelst ihn, siehst wahrhaftig einen Feind in ihm.

Farhi: Vater, du musst verstehen: Du hast keine Söhne, und du hast Abdallah als deinen Sohn aufgezogen, noch bevor sein Vater verstorben war, und ich… (sie ist sehr erregt)… ich.. war eifersüchtig.

Farhi: Dümmchen! Du musst dich nicht schämen. Es ist mein Fehler, dass ich es nicht gemerkt habe und dass ich dich sogar gescholten habe. Ich war  – nun mal blind auf einem Auge. (Er lacht. Vielleicht lacht sie mit ihm.) Komm, wir gehen nach Hause. (Beide ab)

Semaphorentanz:

La campagne de Mehemet Ali roi d'Égypte contre les wahhabites : Le 11 décembre 1819, Ibrahim Pacha entre triomphalement au Caire.

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Dies sind nur die ersten zwei von 33 Szenen. Wer das ganze Stück lesen will, soll bitte abumidian@riseup.net schreiben.

Hier das hebräische Original

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