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Heimat = Exil

“Zieh fort von deinem Land, von deiner Heimat und vom Haus deines Vaters!”  1. Mose

“Meine Heimat ist mein Koffer”  Mahmud Darwish

Es gibt nicht viel her, einen Begriff durch sich selbst zu definieren, aber manchmal braucht man die Negierung dazu. Und zwar nicht im dialektischen Sinn als Negierung der Negierung, sondern die Negierung selbst!

Die jüdische Geschichte beginnt mit dem Gottesgebot (an Abram gerichtet): Geh ins Exil! Sein Leben lang bleibt Abram, später Abraham, exiliert, seinen Sohn will er nicht mit einer Kanaaniterin verheiraten, sondern mit einer Frau “meines Landes und meiner Heimat”, und das jüdische Volk, als Volk, kristallisierte sich im Archetyp des Niemandslandes: der Wüste. Die zehn Gebote, und alle über 600 anderen, kommen alle aus dem Exil. Die ganze jüdische Geschichte ist eine Geschichte des Exils.

Aber ich wollte nicht ein Diaspora-Jude sein, wollte, wie viele Zionisten vor mir, Mensch, Sprache und Land miteinander verbinden, wollte dieser Geschichte ein Ende setzen, denn das Exil, die Diaspora, die Wüste, sie sind eine vorübergehende Existenz. Im jüdischen Falle war dieses “Übergangsstadium” länger als das Leben von fünfzig Generationen, aber trotzdem wurde diese Existenz als unwürdig betrachtet. Bestimmt zu recht, zum Teil.
In diesem Kampf gegen das Diaspora-Judentum hat der Zionismus eine andere Bevölkerung zum Diaspora-Volk gemacht: die Palästinenser. Wie erkennt ein Israeli einen Araber? An seinem jüdischen Blick.

Im März dieses Jahres ist der israelische Dichter Nathan Jonathan gestorben. Vor einigen Monaten noch traf ich ihn an einer Konferenz, da erzählte er unter anderem über den arabischen Jungen, gleichaltrig wie er, damals, der eines Tages verschwunden ist. Er hat auch ein paar Gedichte zum Thema gelesen.

In einem Leserbrief einer Lokalzeitung beschwerte sich jemand darüber, dass wir alle Jonathan so nachtrauern, denn dieser Dichter besang unsre treure Heimat ja kaum. Der Name unsrer Heimat und ihrer Flüsse und Berge kommt gar nicht in seinen Gedichten vor!

Meine Heimat hat zu viele Namen. Unter anderm spricht die jüdische Tradition von einem “Jerusalem von unten” und einem “Jerusalem von oben”, also eine geistige Heimat. Die geistige Heimat ist ein Luxus der Menschen, die nicht darum zittern, dass mitten in der Nacht die Stadt Jerusalem ihre Bulldozer schickt, um dieses oder jenes Haus abzureissen. Ein Luxus, der im 21. Jahrhundert schon längst zum Grundstandard jedes Menschen sein sollte. Aber solange dies nicht der Fall ist, müssen wir uns halt mit dem Luxus begnügen, der uns keiner nehmen kann.

Wenn Mahmud Darwish, einer der grössten lebenden Dichter der Welt, der aus meiner Heimat stammt, sagt: “Meine Heimat ist ein Koffer”, und ich stimme diesem Satz zu und erweitere meinen Koffer mit ihm, so macht er sich selbst zu einem Teil meiner Heimat.

Viel könnt ich noch zu diesem Thema sagen, zum Beispiel über die neue Art Heim im Internetz (https://abumidian.wordpress.com), dort ist auch vieles ausführlicher beschrieben.

August 2004


Mahmud Darwisch ist inzwischen gestorben, und er wurde zwar in seiner Heimat begraben, aber nicht dort, wo er geboren wurde, das ist aus politischen Gründen unmöglich.

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