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Dienstag, 5. März

[Auch hier wieder so viel gestrichen, hinzugesetzt, umgeschrieben, umgeschachtelt, dass mich das Lesen an Omas Manuskript erinnert, das ich mit 10 Jahren tippen durfte, für Geld versteht sich…]

[…mit Ruth E. und ihrer Tochter Tami…]

Leider nicht zum ersten Mal in diesen Wochen wurde ich gefragt, ob Uri immer noch ein Linksextremer sei. "Er hat seine politische Überzeugung nicht geändert", sagte ich, "aber ich muß ihm wohl recht geben." – Unvermeidlich die Diskussion über das, was im Sozialismus schlecht sei, oder – heureka! – gewesen sei, bis zu meiner elementaren Frage: "Findest du es gut, daß es arme und reiche Menschen gibt?" worauf Ruth, Akademikerin, großzügig: "O ja, es muß die Reichen geben, damit die Armen Arbeit bei ihnen finden."

Ich stellte unser Wirtschaftssystem in Frage, aber vergeblich. Der Kapitalismus hat über den Kommunismus gesiegt, also ist er auch gut. [So wie z.B. jetzt gerade, am 22.2., als die Amis das Moskauer Abkommen ignorierten, um noch ein paar Zigtausend Opfer abzuschlachten, ohne diese es kein fröhliches Purimfest gibt.] Ich ereiferte mich und sprach von Afrika, wo Leute unter der Diktatur der Weltbank Monokulturen pflanzen müssen und sogar daran zugrunde gehen, daß sie ihre heimische Soja überzüchten und für sich selbst die notwendigsten Lebensmittel nicht produzieren dürfen. Ruth sagte: "Afrika – das weiß ich besser, ich habe Kurse darüber besucht."

[…]

Ich sitze mit klatschnassen Kleidern in einem grün gestrichenen modernen Café am Disengoffplatz, weil Doron noch nicht zu Hause ist und Esthi im Büro. […] Vor den Fenstern der zeltartigen Restauranthalle mit den grünen Balken trieft Regen in meine Seele. Es ist fünf Uhr, und ich muß auf der Post nebenan neue Telefonmünzen kaufen. Endlich sind sie daheim, und Esthi sagt, ich solle kommen. Agam fountainMitten im strömenden Regen ist auf der Disengoffplatz-Überbauung der Springbrunnen in Betrieb mit der hohen Gasflamme und allem Kitsch. Ein buntes Rad dreht sich, und aus dem Lautsprecher dröhnt bis weit zum Meer die Elise.

Kaum bin ich in der Aharonowitz angekommen, wollen die beiden im chinesischen Restaurant essen gehen – gleich neben dem Café, in dem ich zwei Stunden gesessen habe. Großmutter bin ich noch nicht, aber sie lassen mich huppen. Wir staken also zurück über den Disengoff-Zirkus im Regen, diesmal mit Regenschirm, Doron in seinem eleganten Regenmantel vorne, mit Esthi untergehakt, und ich laufe wie ein Hündchen hintendrein und denke: wie schön, daß meine Kinder zwei junge Erwachsene sind. Ein junges Paar, nicht anders als meine Eltern es waren. Wie schön, daß das Leben weiter geht! – Ich habe heute schon einmal chinesisch gegessen und werde bei Uri wieder etwas Feines vorgesetzt bekommen, so bestelle ich mir nur einen exotischen Fruchtsalat. Wieder zuhause, bespreche ich mit Doron die Möglichkeit, in Israel eine Wohnung zu kaufen. [Ich möchte hier nur ganz kurz einschieben: mein Vater stand zweieinhalb Jahre vor der Pensionierung, und es gab ein Gerede darüber, daß dann die beiden länger als 10-12 Tage im Jahr in Israel verweilten. In diesem Sinne waren diese zwei Hilde-Monate eine Probe dieses Plans, der dann aber nie verwirklicht wurde.] Ich könnte Geld auf mein israelisches Konto überweisen, aber es ist nicht genug da. Doron sagt, für Neueinwanderer wie ihn gebe es preisgünstige Hypotheken, und ich frage ihn, ob wir dann nicht in seinem Namen den Handel abschließen können. Aber Doron meint, es würde registriert werden, wer genau an diesem oder jenem Wohnort angemeldet ist, und wie Esthi aus dem Bad kommt, sagt er zu ihr: "Meine Mutter ist beleidigt, daß wir ihr nicht eine Wohnung kaufen." – und beleidigt bin ich sofort wegen dieser Bemerkung und denke nicht daran, Humor zu verstehen. Ich sitze schon wieder auf Kohlen zwischen beiden Söhnen, weil Uri am Telefon gesagt hat: "Schade, daß du noch nicht kommst."

Ich bitte um die Fernseh-Kassette mit dem Kabarett-Darbietungen vom Krieg, die mir vor Wochen versprochen wurde. Übermorgen fahre ich weg, [und dann ist dieses Tagebuch zu Ende…] und ich will sie David vorführen. Doron kramt unter den Kassetten, und kaum drehe ich den Rücken, um auf die Toilette zu gehen, würfelt er eine Runde am Computer, dann sucht er eine Kassette ab, aber es ist lauter Mist darauf, und ich werde immer nervöser, zumal Esthi gesagt hat, sie könnten das Kabarettstück auch überspielt haben… schließlich platzt mir der Kragen, wie ein Sekundenzeiger auf dem Bildschirm ganz langsam vorrückt und ich nicht erkenne, daß es ein Minutenzeiger im Zeitraffer ist, und ich kreische: "Kannst du nicht schneller machen?"

Nun ist der Teufel los.

Was mir einfalle… Eine Zumutung sei ich für ihn… Doron schreit, daß die Wände wackeln. Ich packe meine Sachen und renne grußlos weg, nicht ohne Esthi auf Wiedersehen zu sagen, die nicht an dem Streit beteiligt war; sie wollte übrigens, daß Doron mich nach Yad Eliahu fährt, weil es so regnet, aber als ich mich bedankte und sagte, ich sei sehr müde, sagte sie: "Es kommt darauf an, wie müde Er ist", und schon war ich wieder verletzt.

Also hottere ich im Bus durch die Stadt und habe einen guten und einen bösen Sohn, was mir gar nicht paßt, denn ich mag nicht polarisieren.

In der La Guardia muß mich Edith mit einer Tasse heißer Linsensuppe wieder auftauen. Gott sei Dank, daß sie so eine gute Köchin ist.

Die beiden lassen nicht ab, mir dies und jenes anzubieten, und mit einer Tasse heißer Schokolade trinke ich mir Mut an und telefoniere in die Aharonwitz. Es tue mir leid, daß ich ohne Gruß fortgerannt sei. Es tue ihm auch leid, sagt Doron. Aber ich würde die Kassette morgen bekommen und auch die Diskette für die Video-Kartei; denn, sagt er, in einem sehr lieben Ton, er sei einer, der etwas fertig mache, was er angefangen habe. – Dies ist mir zwar neu bei ihm, aber ich höre es umso lieber. Die Bemerkung ist auch eine feine, sehr feine Anspielung darauf, daß ich in Goßau das Modem noch nicht in den Computer eingebaut habe, das er uns gab, um mit Israel über den Computer zu korrespondieren. [anfangs 1991! Sie spricht tatsächlich von einer Vorstufe, einem neanderthalischen Internet!] Der Vorwurf ist so diskret, daß ich sogar in meinem jetzigen Zustand darauf anspreche und ihn annehmen kann, und plötzlich ist die Welt wieder wunderschön und ich habe nur gute Kinder: wunderbar, daß ich mich diesmal mit Doron gestritten habe und nicht mit Esthi – und diesmal haben wir uns versöhnt! Den Streit durchgestanden in seinem Auf und seinem Ab, nicht einfach steckengeblieben wie bei jener schrecklichen im Militärlager. Welche vier Jungen! Doron, Esthi, Uri, Edith: ich falle ihr um den Hals und danke ihr, daß sie mich so gut beruhigen konnte. Vor lauter Begeisterung stopfe ich Uris Pullover fertig und umhäkle Ärmel und Bund mit brauner Wolle.

MUTTER ZWISCHEN DEN FRONTEN

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