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Lieber Wolf Biermann!

Ich habe Wolf Biermann im Januar 1991 einen Brief geschrieben, nach seiner Stellungnahme zum zweiten Golfkrieg. Nach 16 Jahren find ich den Brief immer noch gut, vielleicht noch mehr als damals…

Hier der Wortlaut:

Lieber Biermann!
Jede und jeder hat ihre oder seine eigene, sehr persoenliche Art von der politischen Buehne abzutreten. Du zeigst uns im Klartext, denn Deine Texte waren immer Klartexte, wie solch ein Abtritt mit dem Anschluss an den amerikanischen Imperialismus zusammenfaellt.
Ich sitze jetzt oft im abgedichteten Zimmer, auf dem Gesicht die Gasmaske und hoere die Exlosion der SCUDs; dann weiss ich, dass mein Haus noch steht. So sehe ich die Welt durch israelische Augen und deutsche Gasmaskenscheiben, und dann denk ich ueber diese Welt mit meinem internationalistischen Hirn nach. Das ist ein Riesenvorteil: diese kleine Distanz zwischen den deutschen Scheiben, zwei Zentimeter dahinter die israelischen Augen, und fuenf Zentimeter dahinter das internationalistische Hirn,  diese winzige Distanz macht’s aus!
In diesem spezifischen Falle gebe ich meine politischen Gedanken mit Hilfe eines Geraetes wieder, das leider keine ae-, keine oe- und auch keine ue-Puenktchen hat. Ich hoffe, Du hast Verstaendnis dafuer.
Heute Mittag hat Saddam Hussein bekanntgegeben, dass er bereit ist, sich aus Kuwait zurueckzuziehen, falls…etc. SENSATIONELL!! UMWERFEND!! WELCHE NEUIGKEIT! Welche Neuigkeit? Gar nix Neues, nichts. So viel wert wie eine Zeitungsente.
Das ist nur am kleines Beispiel fuer die leimige Kacke, auf die die meisten von uns kriechen – und gute Linke auch. Ich muss Dir leider sagen, dass auch “die Sicherheit Israelsso ein Thema ist, ueber das schon so viel Bloedsinn gefurzt worden ist. Wir hier in Israel sagen: die Amerikanar luegen, die Iraker luegen, die Israelis luegen, nur die SCUDs sprechen die Wahrheit. Und ich weiss nur, dass die erste SCUD uns erst nach dem amarikanischen Angriff auf den Kopf gefallen ist.
Saddam Hussein ist fuer das Erdoel und fuer das Geld in Kuwait einmarschiert, denn der letzte Krieg, den er fuer den Westen gefuehrt hatte, hat ihn ein bisschen zu viel gekostet. Sein Kriegsziel ist das Brechen der pro-imperialistischen Koalition, und deswegen versucht er, zwischen Aegypten, Syrien und Saudi-Arabien Streit zu legen, aber vor allem, diese arabischen Fuehrungen gegen Israel aufzuhetzen. Deswegen will er IsraEl in den Krieg ziehen, und dies genau ist der Grund, warum Uncle Sam der israelischen Regierung jede Reaktion verbietet. Aber sowohl die Regierung als auch die Menschen hier sind durch Saddams Sticheleien schon sehr aufgereizt und brennen darauf, so richtig draufloszuschlagen. Genau darauf zaehlt der irakische Diktator.
Er wuerde niemals Israel kaltlegen (auch nicht, wenn er das koennte), dann er braucht dieses Lockmittel.
In Deinem Brief ist kein Wort ueber den amerikanischen Imperialismus zu lesen, dieses Krebsgeschwuer, das uns David Ben Gurion hierhergebracht hat, und das unsere Seele seither aussaugt. Fuer den US—Imperialismus wurde dieses Land zu einer einzigen grossen Militaerbase ausgebaut, die den Westen verteidigt; fuer den US-Imparialismus sind Zehntausende junger Israelis gefallen, und diesmal werden es vielleicht mehr denn je sein; fuer den Westen wurden hier schoenste Kulturen in den Wuestensand getreten und ein ganzes Volk, die Palaestinenser, hinter Stacheldraht gelegt. Und dieses Amerika soll uns unser Israel beschuetzen!
In Hebraeisch sagen wir: Lass die Katze nicht die Milch beschuetzen! Die Milch ist zwar sauer, vor allem seitdem unser Heimfaschist (der den sinnigen Kosenamen “Gandhi” traegt) mit in der Regierung sitzt, aber die Katze leckt sie brave aus. Wie lange wird uns der Imperialismus noch “beschuetzen”? Noch vor zwei Jahren hat Saddam Hussein fuer den Westen gekaempft, doch jetzt hat er es gewagt, seine Kanone gegen den Wind zu drehen. Heute lese ich in der meistgelesen Stadtzeitung unserer “bombartierten” Stadt auf der letzten Seite, wo gescheite Sprueche gedruckt werden: gross und fettgedruckt: “in zwei Jahren bombardieren uns die Alliierten, und Gandhi wird sich keinen Millimeter zurueckziehen.”
Dann wirst Du wohl gegen den Imperialismus antreten, zum Wohle Israels. Du wirst wieder ein stolzer Antiimperialist sein, wie unser Premierminister Schamir, der sich den amerikanischen Diktaten nicht beugen will.
Dein einziges Argument ist Israel. Es ist mir schleierhaft, was Du mit Israel zu tun hast, aber klar ist Deine Kritik an Der deutschen Friedensbewegung. Du sagst “einaeugig blind”. O.k. Aber pruef doch mal Deine eigenen Augen!

Ja, lieber Biermann, wir sind selber schuld.
Wir haben es nicht geschafft, die Waffenexporte zu stoppen, wir haben es nicht geschafft, den Untergang des Stalinismus zur Geburt des demokratischen Sozialismus werden zu lassen, wir haben es nicht geschafft, die Contras in alle Winde zu schlagen,
und wir haben es nicht geschafft, die Israelis von einem Frieden mit den Palaestinensern zu ueberzeugen.
Bist Du dabei oder gehst Du nach Haus?

Mit der verzweifelten Hoffnung auf eine
Antwort

Offensichtlich kam der Brief an, denn in einem seiner Bücher, kurz darauf, machte er sich über die „verzweifelte Hoffnung“ lustig. Von seiner Sicht zu recht. Hoffnung? Auf ihn? Nee, nie!!

Aber ich hoffte ja damals schon nicht mehr auf ihn, ja, Biermann, es gibt noch andere, nicht nur Dich!

Auf jeden Fall war sein Zynismus eine Gemeinheit, wie wir sie fast nur bei Broder finden können. Die beiden passen ja gut zusammen.

Uri Shani, abumidian@riseup.net

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