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Donnerstag, 21. Februar

Ich wachte spät und schlecht gelaunt auf. Das Wetter war diesig. Aber bei Uri fühle ich mich zu Hause, obschon es nicht so komfortabel ist. Vielleicht kann ich bei ihm auf dem Computer schreiben. Er kann mich auch beleidigen, meinetwegen, aber wir können darüber reden. Bei Esthi gibt es ein paar Dinge, über ich nicht reden kann. Wo sie mir fremd ist.

In Uris Büchergestell habe ich "Draußen vor der Tür" entdeckt und lese es zum ersten Mal richtig. [Dazu könnte ich jetzt eine seitenlange Bemerkung schreiben, was ich natürlich nicht tun werde. Nur stichwortartig: Beckmann bei der Familie seiner Vorgesetzten, als Monolog adaptiert, im riesigen Salon in Gossau, Oktober 1986, als Abschlussfeier meines ersten "Heimatbesuches", vorher die skurrile Szene am Grenzübergang zwischen West- und Ost-Berlin, wo mir ausgerechnet dieser Text abgenommen wurde, denn er durfte nicht in den Bauern- und Arbeiterstaat eingeführt werden; nach diesem Krieg hier, 1991, das Stück ins hebräische übersetzt, allerdings noch nie richtig aufgeführt usw.] Wie viele Parallelen es gibt zwischen jener schrecklichen Zeit und unserer schrecklichen Zeit! Ach – ich bin total neurotisch, ich zähle die Stunden, bis ich zurück darf in mein Schneckenloch – dabei hat dieser Krieg hier – Uri hat recht – noch gar nicht begonnen!

Heute Morgen hat ein Greis im Autobus zu mir gesagt: "Was? Drei Jahre hast du hier im Land gelebt? – Dann bist du Watika (Alteingesessene)! Ich, siehst du, ich bin siebzig Jahre im Land, und der einzige, der am Leben geblieben ist. Die andern wollten Geschäfte machen in Europa. Aber sie kamen nach Auschwitz. Da war doch eben eine Frau, im Laden, und hat gesagt: 'Das Brot gefällt mir nicht.' Was will die dumme Kuh? Es gibt doch alles in diesem Land, alles, was du willst, Brot, Kuchen, Fleisch, Gemüse – einfach alles! Und über Brot beklagt sie sich. Was willst du. Ich bin neunzig Jahre alt, aber am Leben."

Für ihn hat dieses Irak-Debakel überhaupt keine Bedeutung.

[Ich habe meine Eltern immer als irgendwie "verkehrt" erlebt, was die Frage des 'In-Israel-leben-ja-oder-nein' anbelangt: Meine Mutter, die Jekkete, wollte zurück nach Israel, mein Vater, der Zabar, wollte nicht. Heute kann ich es besser verstehen. Sie hat ja nur drei Jahre hier gelebt, es ist ihr noch nicht verleidet. Andererseits kommt dann so ein alter Auschwitz-Veteran… ]

[…]

Saddam Chussein hat eine Ansprache gehalten. Es tue ihm leid, sagte er, aber er müsse Konsequenzen ziehen.

Was das bloß heißen soll.

Ich wollte bei Esthi anfragen, wie es ihrem Auge gehe, aber bevor ich dazu kam, rief sie an. Ich bin rehabilitiert! Ich darf morgen ein Gulasch kochen.

Beim Abendbrot wollte Uri wieder alles mögliche über meine Familiengeschichte wissen, die immer tote Tante Herta (sie starb acht Jahre vor meiner Geburt), den Krach mit meiner Mutter, als er, Uri, zur Welt kam, und vieles mehr. Er wusste nicht einmal, daß meine Mutter als Studentin die Frau im "Brennenden Dornbusch" gespielt hat und er von ihr die Vorliebe fürs Theater hat. Plötzlich, mitten im Gespräch, schreckte er auf, riß die kaputte Küchentür ganz auf, horchte: "Da war doch eben etwas – ein Alarm?" und auch Edith schoß mit großen Augen durch die Wohnung. Das Geräusch einer Küchenmaschine hatte uns aufgescheucht…

[Den "Brennenden Dornbusch" von Oskar Kokoschka inszenierte in Heidelberg Wilhelm Fraenger mit Olga Manheimer, meiner Großmutter, in der Hauptrolle, zu einer Zeit, als in und um "Die Gemeinschaft" verschiedene Typen herumlungerten, wie z. B. Zuckmayer und der frustrierte Goebbels mit dem Klumpfuß.

Was dachte sich wohl der spätere Gauleiter und Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, als er meine Großmutter, die Jüdin, als große mythische Erdmutter auf der Bühne sah? Oder sah er sich das Stück nicht an, da es ja auch in Wien von der Zensur verboten wurde? Er war 23 Jahre alt, ein Jahr jünger als Olli. Er wurde, im Gegensatz zu Olli, nicht von Friedrich Gundolf in seinen Kreis aufgenommen. Und vielleicht war er ein bisschen in sie verliebt, und wenn meine Großmutter ihm einen Gefallen gemacht hätte, dem Klumpfuß, dann sähe die Weltgeschichte heute anders aus? Über diese Zeit kann man übrigens bei Zuckmayer bei "Horen der Freundschaft" nachlesen, und auch hier gibt's ein bisschen. Fraenger war es, der von Olga begeistert war und ausstieß: "Jetzt haben wir sie, die elementare Kraft für die Hauptrolle. Keine Schauspielerin, sondern eine elementare Kraft." Als sich Olli dann entschied, die blühende Schauspielkarriere nach dem Tod ihrer Schwester Herta aufzugeben, schrieb ihr Zuckmayer einen achtseitigen Brief, um sie umzustimmen. Ihre Mutter Johanna war zwar auch beeindruckt von diesem Brief, aber sie schreibt in ihren Erinnerungen, ihre Tochter Olga sei "nur berufen und nicht auserwählt" gewesen.


Ein Photo aus den Proben im Wolfsbrunnen bei Heidelberg

Ach, und wenn ich schon Photos hier bringe, warum denn nicht endlich auch ein Photo von Hilde?!!


1985, Kibbuz Magen

~1989, Schomria

1991, Schweiz

An nichts von diesem Gespräch mit Hilde kann ich mich erinnern. Alles, was ich hier jetzt gerade erzählt habe, weiß ich erst seit weniger als vier Jahren, das ist: erst nach dem Tod meiner Mutter, oder genauer gesagt: ich wusste nicht, dass ich es schon gewusst hatte! Wie ist das möglich? Eine Erklärung bietet natürlich der Schreck, mit dem ich vom Tisch aufgesprungen bin, wegen dieser Küchenmaschine. Auch daran kann ich mich selbstverständlich nicht erinnern…]

Wir warten immer noch auf den Landangriff, jede Minute, jeden Tag. Und dann gnade uns Gott! Dabei sind wir doch nicht mehr genügend vorsichtig. Haben die Geduld verloren. Uri hat die Theorie, man solle jede Woche ein paar Tage aus Tel Aviv wegfahren, um die Gefahr zu verringern, dann wieder zurückkommen und den Kontakt mit der Stadt nicht verlieren. Aber das ist doch alles nicht machbar. Die Leute können sich nicht mehr konzentrieren, nicht richtig arbeiten.

MUTTER ZWISCHEN DEN FRONTEN

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