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Mittwoch, 30. Januar

Eine Welt für sich in diesem Land zu dieser Zeit sind die Klo-Sprüche. Den von Gottliebs habe ich schon zitiert: "Rede wenig, mach viel!" – Bei ihren Kindern steht, ihnen entsprechend: "Wenn du schon für ein Ideal stirbst – stirb langsam. Es könnte das falsche gewesen sein…" – Bei Dolly hängt, wie zu erwarten, ein Geburtstagskalender, und bei Sonja, der Krankenschwester, die ich heute besuchen will, auch ein Geburtstagskalender, aber er sieht aus wie eine Menstruationstabelle.

Wieder bin ich mit dem stillen Uri L., der die Lippen nicht auseinanderbringt – vielleicht ist es besser so – nach Kiriat Tiw'on gefahren und warte jetzt seit einer halben Stunde im Regen auf den Bus talaufwärts nach Afula. Aber es regnet weich, und das leise, streichelnde Sprühen aus dem sanften Weißgrau wirkt beruhigend.

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Der Tag bei Sonja ist ein Tag von Fotos und Erinnerungen. Ich erfahre erst jetzt und hier, daß Sonjas Vater, unser Nachbar und Freund Alfred aus der Zeit in Merchavia [1956-1959] schon seit einem Jahr nicht mehr lebt. […]

Ich fahre, wie verabredet, mit Bus 301 zu einer Tankstelle auf der Strecke nach Alonej Aba [Bus Nummer 301 wird seit vorgestern nicht mehr von Egged betrieben, das Monopol von Egged wurde schon seit einigen Jahren durchbrochen. Die Tankstelle ist inzwischen zu einem Riesenkomplex geworden, mit etwas, das sich in amerikanischem Hebräisch "Canyon" nennt, ein großes Einkaufszentrum, also ein Mega-Kaufhaus, das in der Mitte, daneben diverses Anderes, wie Post, Autowaschanlage, noch ein Restaurant, ein Riesenparkplatz. All das natürlich auf dem Land, das der Kibbuz Alonim damals vom Staat umsonst erhielt, um Landwirtschaft zu betreiben und jetzt Milliarden damit macht….], wo Uri L. mich – diesmal ganz ohne Worte, was mich nach dem Frauennachmittag erschreckt – abholt. Dolly hat zu Hause den ganzen Nachmittag verplempert, um aus Dörrfrüchten hübscheste Dekorationen zusammenzubasteln, und ich erfahre auf diese Weise, daß heute Tu Bischwat ist, der fünfzehnte des Monats Schwat, das Frühlingsfest der Bäume. Also werden Bäume, Pflanzen, Früchte gefeiert. Das TV-Programm ist voll von heiteren Einlagen in Anspielung auf eine Kombination vom Fest der Bäume und verstopften Zimmern, zum Beispiel über die Hausfrau, die ihrer Zimmerpflanze im verstopften Zimmer einen Plastiksack als Gasmaske überstülpt, undsoweiter. […]

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Matthias Hui, ein Schulfreund Dorons [https://abumidian.wordpress.com/deutsch/warum-abumidian], ruft an aus der Schweiz. Es ist schon wichtig, von Freunden ein Zeichen der Anteilnahme zu hören.

Doron und Esthi wollen morgen definitiv nach Tel Aviv zurück. Vier Stunden Autofahrt täglich, jeden Morgen um fünf in die eiskalte Nacht – wie lange hält man das aus? – Sie sagen, es sei viel wahrscheinlicher, auf der Straße zu verunfallen, als von einer Rakete erschlagen zu werden.

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Esthi hat bereits Antwort aus Wien bekommen, ihr Artikel sei angenommen worden. Sie hat einen hübschen Pulli an, wunderschöne Ohrringe, und sieht sehr gut aus. Wie tüchtig das Kind doch ist! In der Nacht aus den Federn, stundenlang herumkutschieren, tagsüber Arbeit im Büro – und dazwischen fallen Artikel aus dem Ärmelloch. Schade, daß ich zum Abschluß von diesem Kapitel etwas Häßliches gestehen muß: ich dieses Artikels wegen auf Esthi – eifersüchtig.

Zum Ende dieses Kapitels wollte ich eine Überlegung einschalten, die mir beim Tippen in den Sinn kam: ein Vergleich mit "Mutter Courage".

Es ist Krieg, Mutter Courage hat drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, genau wie Hilde. Die beiden gehen ins Militär, genau wie Hildes Söhne, wobei Hildes Söhne Reservesoldaten sind und nicht eingezogen und überhaupt dieser Krieg 1991 für Israel "ein komischer Krieg" war, wie es der ältere (Doron) ausdrückte. Die Tochter von Mutter Courage ist stumm, das ist Dani nicht, aber sie ist sehr weit weg, und ist nur eher wenig zu hören. Der Übername "Mutter Courage" gebührt meiner Mutter auch, denn sie war so mutig, in Israel zwei Tage vor Ablauf des Ultimatums zu landen, allerdings nicht um Geschäfte zu machen, wie Mutter Courage, sondern um ihren Söhnen beizustehen. Das wäre Mutter nicht in den Sinn gekommen. Allerdings – Mutter Courage (trotz ihres Übernamens) gibt ihrem einen Sohn eine Ohrfeige, als er sich damit brüstet, wie mutig er gewesen sei. Sie findet es wichtiger, dass er auf sich aufpasse, als mutig zu sein! Ähnlich hat sich Hilde geärgert, als ich fand, wir müssten in Tel-Aviv bleiben. War diese Haltung meinerseits Mut? War es Angeberei? Trotz?

Ich werde weiter darüber nachdenken, über diesen Vergleich, und natürlich bin ich dankbar für Denk-Anstöße!!

MUTTER ZWISCHEN DEN FRONTEN

Ich habe übrigens während dieses Krieges an Wolf Biermann einen Brief geschrieben:

https://abumidian.wordpress.com/deutsch/biermann

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