דילוג לתוכן

Johanna und Olga

Die Figuren:

Olga Becker-Manheimer

Johanna Manheimer, geb. Sarason

Vorbemerkung:

Dieses kurze Stück entwickelte sich in meiner Fantasie, nachdem ich die Erinnerungen meiner Großmutter Olli (Olga) und ihrer Mutter Johanna ins Hebräische übersetzt hatte. Und dann entdeckten wir im September 2009 einen Brief, der im ersten Bild wörtlich zitiert wird.

Da zwischen jedem der fünf Bilder ein großer Zeitabstand von einigen Jahren besteht, sollte sich der Regisseur etwas Interessantes für den Übergang ausdenken.

1. 

 

1954: Das Arbeitszimmer von Hermann Becker in Oberengstringen neben Zürich

Olga ist 57 Jahre alt, sie ordnet Hermanns Arbeitstisch. Sie schaut sich die Sachen nicht an, packt sie einfach ein.

Olga: Ach Mutter, du hast mich erschreckt. – Was machst du hier?

Johanna: Du bist doch jetzt so allein.

Olga: Ich bin nicht allein, ich habe Erna und Hilde, und sie will einen Israeli heiraten. Komisch. Wer hätte sowas gedacht!

Johanna: Ja, man kann nie wissen. Bald wirst du Großmutter sein, und vielleicht wirst du eine bessere Großmutter sein, als ich sie war.

Olga: Mutter, bitte!

Johanna: Und vielleicht wirst du trotzdem noch eine Schauspielerin.

Olga: [lacht] Mit 57?

Johanna: [nähert sich dem Tisch] Das war sein Arbeitstisch, wie?

Olga: [entfernt sich] Mutter, ich verstehe nicht. Bin ich verrückt geworden?

Johanna: Nein, meine Liebe. Das ist ganz natürlich. Ich werd mich auch nicht aufdrängen. Bin ich etwa all die Jahre gekommen? Bin ich nicht.

Olga: Ich habe viel an dich gedacht, Mutter!

Johanna: [sie schaut die Papiere an, nicht ihre Tochter] Lass es. Es ist schon gut. Ich wollte Dir etwas zeigen. Aber wo ist es nur?

Olga: Ich möchte nicht in diesen Sachen stöbern. [Sie nähert sich wieder dem Tisch, nimmt etwas, um es in eine Kiste zu legen, ihre Mutter legt ihre Hand auf diejenige ihrer Tochter, sachte, Olga erfriert. Ein Blick. Sie umarmen sich. Olga weint.] Mutter, er war die ganze Welt für mich. Vielleicht zürnst du ihm noch, aber er war der wunderbarste Mann, den ich mir an meiner Seite wünschen könnte. Und jetzt ist er plötzlich gestorben, einfach so, wie …

Johanna: Schschschsch… [Sie wendet sich wieder dem Tisch zu. Sucht weiter.]

Olga: Mutter, es tut mir so leid, dass ich nicht bei Dir war, am Schluss.

Johanna: Gut bin ich gestorben, bevor die Nazis mich abgeholt haben. Zwei Wochen nach meinem Tod ging der erste Transport aus Hamburg ab. Ich wusste, dass es kommt. Meine Heimatstadt Stettin hatten sie schon judenrein gemacht. Wir wussten, dass wir an der Reihe waren. Und wer nicht nach Auschwitz ging, ging nach Theresienstadt, wie Onkel Nathan und Tante Ida, und Onkel Julius. Es ist also gut, dass mich die Krankheit vorher schon geholt hat.

Olga: Ja, aber hier hättest du vielleicht genesen können, Mutter.

Johanna: Hier in der Schweiz habt ihr Frauen nicht einmal heute Stimmrecht. Weißt du noch, wann wir drüben sprachen?

Olga: [ihre Augen werden wieder feucht] Ja, ich weiß noch.

Johanna: Wann?

Olga: Mutter, ich kann nicht.

Johanna: Noch immer kannst du nicht drüber sprechen?

Olga: Nein.

Johanna: Das war, als –

Olga: Nein, sag es nicht!

Johanna: Das war zwei Wochen, nachdem  die Amerikaner ihren Frauen Stimmrecht gaben. [Olga war bis auf äußerste angespannt, aber da ihre Mutter nicht das ausgesprochen hat, wovor sie Angst hatte, entspannt sie sich erstaunt, mit offenem Munde. Johanna, nach einigen Sekunden, findet, was sie gesucht hatte.]  Hier! [Sie gibt es ihrer Tochter.]

Olga: Was ist das?

Johanna: Lies!

Olga: "14. Juli 1940. Lieber Hermann, da ich mich mit der Unsäglichkeit, Euch und die Enkel noch einmal zu sehen und zu sprechen, vollkommen abgefunden habe, " [Pause]  Das war schon nach –

Johanna: Nachdem Lena abgefahren war, ja. [Pause. Wieder hat Johanna offenbar etwas anderes gesagt, als Olli meinte.]

Olga: Das hast du geschrieben. Das ist deine Handschrift. Ich kenne diesen Brief gar nicht.

Johanna: Ich weiß. Lies!

Olga: "…so habe ich nur noch die eine Sehnsucht für die kurze Spanne Zeit, die mir noch beschieden ist, Frieden zu machen mit allen, die zu mir gehören. Und da Du, Olli und das Kind eine Einheit für mich bedeuten, wollen wir Beide da nicht einen vollkommenen Strich über die Vergangenheit, über verkehrte Einstellungen, Mißverständnisse, Bockigkeit, unedlen Stolz machen? [Olli setzt sich.] Und ich kann Dir sogar die Genugtuung geben, daß ich ihn in einem beruhigten Glücksgefühl ziehen kann, denn ich kann Dir heute aus mütterlichem Herzen danken dafür, daß Du mein Kind glücklich gemacht hast."  Oh Mutter, Mutter? [Johanna ist verschwunden.] Wo bist du? [Sie sucht ein wenig, dann kehrt sie zum Stuhl zurück und setzt sich, während sie weiterliest.]  "Heute weiß ich, daß meine Einstellung, blinde Eifersucht, abgöttische Affenliebe, daß für dieses Kind kein Mann gut genug sei, qualvoll für Dich wie für mich – verkehrt war. Ich sehne mich jetzt sehr danach in Dir ein Kind und einen Sohn zu fühlen, auf dem letzten Weg meines Lebens. – Ich kann keinen von Euch drei ausschalten, ich muß Euch alle drei mit gleicher Liebe umfangen. Ich verlange wenig, Hermann, nur die paar Worte, Mutter, ich bin einverstanden. – " [Olga kichert.] Na ja, Mutter, da hast du klar übertrieben. "Diese Bestätigung muß ich allerdings haben, dann brauchst Du Dich gar nicht mehr mit Briefen an mich belasten, Olli wird mir von Dir erzählen und mich von Dir grüßen lassen, und ich kann dann gemeinsam an meine Kinder meine Sorgen und Freuden schreiben. Und wenn ich die mich beglückende Bestätigung von Dir habe, werde ich, wie so oft zu Deiner Mutter gehen und ihr erzählen, daß ihr letzter ausgesprochener Wunsch nun erfüllt sei. –Ich grüße Dich mütterlich

Oma."

2.   

1938: Auf dem Friedhof Ohlsdorf, neben den Gräbern von Adolf und Herta

[Die beiden Frauen arbeiten am Grab. Vor allem Johanna. Olga ist distanziert. Johanna schnauft.]

Johanna: Du brauchst Hermann nicht zu sagen, dass ich auch bei seiner Mutter war.

Olga: Es ist jetzt genug, Mutter. Du bist nicht mehr so jung.

Johanna: Ich werd sie nicht vernachlässigen, solange ich noch kann. Und Lena kommt nie hierher, obschon es ihre Mutter und ihr Großvater sind.

Olga: Ich habe den Eindruck, dass du die Toten lieber hast als die Lebenden.

Johanna: Diese zwei Toten sind mein Ehemann, der einzigartig war, und meine Tochter, die…

Olga: einzigartig war.

Johanna: Das hab ich nicht gesagt.

Olga: Denn ich bin natürlich nicht so… wie sie.

Johanna: Und sie sind mir am nächsten. Ihr seid in der weiten Schweiz.

Olga: Ich bin sehr froh, dass wir in der Schweiz sind. Ich werde zwar dieses Schweizerdeutsch nie und nimmer lernen, aber dort sind wir wenigstens sicherer, und vor allem Hilde ist dort sicherer.

Johanna: Hier ist es auch sicher. Hitler ist ein Mann des Friedens, das hat Chamberlain selber in München gesagt.

Olga: [schaut um sich] Ich denke, es ist besser, wir wechseln das Thema.

Johanna: Das ist mir egal, was kann mir schon passieren. Ich bin selbst schon mit einem Fuß im Grab.

Olga: Ja, Hitler ist ein Mann des Friedens. Sicher. Und trotzdem bin ich lieber in meiner Klinik in Zürich.

Johanna: Ja, sie ist schön. Ich bin stolz auf Dich, Olli.

Olga: [schaut nochmal um sich, dann zieht sie einen Umschlag aus der Manteltasche] Mutter, ich weiß sehr gut, wie sehr Du Dich von Hermann verletzt fühlst, aber Du musst ihn auch verstehen.

Johanna: Dein geliebter Hermann hat keine Ahnung, was wir hier durchmachen. Um mich geht es ja nicht, aber Lena, dieses unschuldige Mädchen, welche Schuld trägt sie?!! Sie könnte Deine Tochter sein, wenn Du es wolltest. Ihr solltet das Kind nicht mit dem Vater ausschütten.

Olga: Weißt Du, nach all dem, was wir durchgemacht haben, musst Du Hans wirklich nicht auch noch verteidigen.

Johanna: Und nach all dem, was geschehen ist, ist Hans immer noch der Vater meiner Enkelin, genauso wie Dein Hermann der Vater meiner Enkelin ist.

Olga: [Sie stopft den Umschlag wieder in die Manteltasche. Sie kocht vor Wut.] Wie kannst Du nur zwischen Hermann und Hans vergleichen!!

Johanna: Na na! Was denn, ist Hermann etwa so ein orientalischer Prinz auf einem orientalischen Pferd?

Olga: Mutter, genug damit! Nimm Dich zusammen! Hör endlich damit auf, so von oben auf ihn herabzuschauen, nur weil er in Riga geboren ist. Warum ist Riga schlechter als Stettin oder Posen? Unser Haus in Zürich ist genug groß. Komm zu uns!

 Olga: Meine Tage sind gezählt. Was mir noch bleibt, will ich mit meiner Lena verbringen, in Hamburg, der Stadt, in der ich lebe, seit ich Stettin verlassen habe.

Olga: Lena ist schon 18, Mutter. Sie braucht Dich nicht mehr. Aber Hilde ist noch nicht mal 10.

Johanna: Wann wirst Du endlich aufhören, Lena zu ignorieren, Olli? Sie trägt keine Schuld. Schämt er sich denn nicht, uns mit einem Brief eines Advokaten zu antworten?

Olga: Wovon sprichst Du, Mutter?

Johanna: Seit den Nürnberger Gesetzen, also seit drei Jahren schon, kann Hans deine arme Mutter nicht mehr unterstützen, er bringt kaum noch sich selber und die kleine Lena durch –

Olga: Sie ist 18 –

Johanna: Ich wusste nichts vom Brief, den Nathan euch schickte, um euch um finanzielle Hilfe anzufragen. Ich hörte davon erst, als die Antwort aus Zürich kam. Und zwar nicht von Hermann, sondern von einem Anwalt.

Olga: Von einem Anwalt?

Johanna: Der Anwalt schrieb, dass die rechtliche Lage Euch nicht verpflichte, uns zu unterstützen. Auch dies hätte ich nicht erfahren sollen. Nathan und Ida wollten mich nicht verletzen, sie wollten mir die Erniedrigung ersparen. Aber ich weiß es nun mal.

Olga: Mutter – ich – ich bitte Dich, Hermann zu verzeihen. Er mag es nicht, gekränkt zu werden. [Pause. Sie zieht den Umschlag wieder hervor.] Es geht mir jetzt ziemlich gut mit der Klinik. Bitte, nimm es an.

[Die Szene endet mit Olgas ausgestreckter Hand.]

,,,

,,,

Johanna 1925Wer die andern drei Szenen auch lesen will, schreibe mir bitte auf abumidian@riseup.net (bitte schreiben, worum es geht, und nicht einfach "das Stück"!)

hier die Memoiren meiner Urgrossmutter Johanna, im Original: http://access.cjh.org/554332

להגיב

כתיבת תגובה