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Die Banalität des Bösen

Letzte Woche geschah etwas in Israel, das gewiss keine Schlagzeilen macht in Deutschland, denn kein Blut, weder jüdisches noch palästinensisches, spritzte vom Messer. Keine Gewalttat, die eine Meldung wert wäre, und doch – in Israel besetzte es die ersten Seiten aller Zeitungen.

Aber es gibt noch einen, einen viel wichtigeren Grund, warum es in Deutschland nicht wahrgenommen wird: Das Ereignis ist zutiefst irritierend. Und das ist viel unerträglicher als Blut.

Vor 28 Jahren schrieb Jehoshua Sobol das Stück, das ihn zum weltweit am meisten gespielten israelischen Dramatiker machte: Ghetto.

Sobol war besorgt, wie das Stück von den Veteranen des antifaschistischen Widerstandes aufgenommen würde, zu Recht! Denn das Stück stellt äußerst schwierige Fragen. Moralische wie politische, und dazu ist alles auch noch in ein leichtes Gewand gehüllt eines satirischen Cabarets. Heute, 28 Jahre später, muss seine – und unsere – Sorge eine andere sein.

Während einer Aufführung des Stückes am israelischen Shoah-Gedenktag, an der vor allem Jugendliche aus vier verschiedenen Schulen teilnahmen, produzierten diese einen Tumult sondergleichen, dessen Höhepunkt kam, als ein Kapo einen Ghettobewohner schwerstens misshandelte, und ein paar Jugendliche ihn anfeuerten: "Gut so!" "Gibs ihm!"

Die SchauspielerInnen schafften es, das Stück bis zu Ende zu spielen, aber während des Applauses sagte der Schauspieler Oded Leopold, der den Kapo spielte, den die Jugendlichen anfeuerten: "Ich weiß, dass was ich jetzt sagen werde, nicht für alle gilt. Aber ich hoffe, dass in Euren Herzen etwas anderes vor sich geht als was aus Euren Mündern kam, denn ich schäme mich. " An diesem Punkt wurde alles sehr still."Nichts an Eurem Verhalten war 'cool'. Euer Verhalten ist beschämend, beschämend vor allem für Euch. Ihr habt das jüdische Volk und das Gedenken der Shoah beleidigt."

Die Lehrer haben während des Tumults, der die ganzen zwei Stunden andauerte, keinen Finger gekrümmt.

Nach dem Stück weinten die meisten Schauspieler vor Wut, Frustration und Trauer, sie umarmten sich und versuchten, einander zu trösten.

Eine der Lehrerinnen schickte dem Theater am nächsten Tag einen wütenden Brief: "Ich glaube, diese Reaktion [des Schauspielers] ist überzogen und unangemessen. Während des Schauspiels hat niemand sich bei uns beschwert." Aber andere Lehrerinnen schämten sich für ihre Schüler. Die meisten Schüler waren entsetzt und gingen mit hängenden Köpfen nach Hause, aber es gab auch einige, die anders reagierten: "Es war uns langweilig." "Was ist denn das Problem?" "Das war doch lustig!" "Es war nicht wilder als in jeder anderen Theateraufführung. Jetzt schlagen alle Lärm, weil es Jom Hashoa war, und im Kameri-Theater."

Sobols Reaktion:

"….Jeder einzelne Zuschauer im Theater besitzt mehr Kraft als alles, was auf der Bühne geschieht, denn hier auf der Bühne spinnen die Schauspieler eine Realität aus dünnen Fäden von Spiel und Wörtern, und es gibt keine zerbrechlichere Realität als diese.

Die Zuschauer, die ins Theater kommen, drücken ihr kulturelles Niveau und ihre moralischen Werte dadurch aus, wie sie sich den Schauspielern gegenüber verhalten. Wer die Fratze aufgerissen hat, sind Menschen, die gelernt haben, den Schwächeren zu treten und seine Würde ohne Grenzen zu misshandeln. Es ist kein Wunder, dass sie sich mit dem Nazi-Offizier identifizierten, der die Macht darstellt, und mit dem jüdischen Henker, der ihm dient, und sie dazu anfeuerten, die schwachen Ghettobewohner zu ermorden."

Vor zehn Jahren hat der israelische Militärjournalist Amir Oren aus einer internen Offizierskonferenz berichtet. Einer der Offiziere sagte:

“Um uns gut auf die folgende Schlacht vorzubereiten, ist es gerechtfertigt und sogar nötig, von jeder Quelle zu lernen. Wenn das Ziel die Eroberung eines dicht bevölkerten Flüchtlingslager ist, oder der Kassba von Nablus, und die Pflicht des Kommandanten die Erfüllung dieses Ziels ohne Opfer, dann muss er zuerst Konsequenzen früherer Schlachten analysieren und sich einverleiben; auch – so grausam sich dies auch anhören mag – wie die deutsche Wehrmacht im Warschauer Ghetto agierte.”
https://abumidian.wordpress.com/deutsch/haimhanegbi

Diese Jugendliche sind seine Kinder. Und wenn dann der israelische Erziehungsminister sich vor dem Kameritheater entschuldigt, dann übernimmt er zu Recht die Verantwortung für den Missstand des israelischen Erziehungssystems, aber können wir Lehrer (ich unterrichte schon 19 Jahre lang in verschiedenen israelischen Mittelschulen) tatsächlich etwas unternehmen?

Im Stück sagt der Bundist Hermann Kruk: "Der Faschismus versucht den Wert des Menschen zu negieren, bis der Mensch sich weniger vorkommt als ein Tier. Das einzige Ziel, das der Faschismus kennt, ist: Menschen in Tiere verwandeln und sie für seine Zwecke gebrauchen. Der Kampf gegen Faschismus muss damit anfangen, sich nicht wie ein Tier zu verhalten."

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