Nach der Abstimmung
Als Antwort an einen Freund geschrieben:
ich schreibe dir in deutsch, denn es geht um schweizerische Angelegenheiten. Allerdings werde ich auch auf israelische Zustände Bezug nehmen, und auch was dies anbelangt, hat es vielleicht einen gewissen Wert, dies in deutsch zu tun.
In den Monaten vor der Abstimmung habe ich betont, dass m.E. die andere Initiative wichtiger sei: das Waffenexportverbot. Um es gleich vorwegzunehmen: Ich glaube das immer noch.
Die Kapitalisten haben es meistens geschafft, ihre gemeinen und schlimmen Tätigkeiten hinter Sensationen zu verstecken.
Kein Mensch ist daran gestorben, ob jetzt in der Schweiz ein Minarett mehr oder weniger gebaut wurde oder wird. Aber schon in den letzten zwei Wochen seit der Abstimmung sind wahrscheinlich viele Menschen daran gestorben, dass die Waffenexportverbotinitiative nicht angenommen wurde. Wir sollten nicht daran teilhaben, über das Unwichtige zu sprechen und über das Wichtige zu schweigen, nur weil alle das tun und wir so zu Gehör kommen.
Trotzdem ein paar Worte zur Sache: Sollte ich als nicht religiöser Mensch eine Religion unterstützen und ihr helfen, ihre Gläubigen zu unterdrücken, nur weil diese Religion von der Mehrheit unterdrückt wird?
Wir haben hier in Israel eine ähnlich komplizierte Situation. Der Konflikt zwischen Militär und Siedlerbewegung bewegte sich in den letzten 40 Jahren auf verschiedenen Ebenen, und das Feuer war verschieden hoch. Jetzt gerade ist dieser Konflikt sehr heiss, obschon es eigentlich keinen äusseren objektiven besonderen Druck dazu gibt. (Schwer zu behaupten, dass Obama, nach seiner Rede am 10. 12., sich als Druckausüber ausgeben könnte…) Trotzdem befinden sich viele Israeli in der Situation, in der sie das Militär unterstützen, gegen die Siedlerbewegung. Sollen wir das israelische Militär unterstützen? Gibt es etwas Absurderes als das?
Ich lebe hier mit vielen Minaretten um mich herum, im Umkreis von weniger als einem Kilometer. Ich höre den Muezzin täglich, manchmal mehrmals am Tag. Es stört mich mitnichten.
Aber ich höre auch die Kampfflugzeuge, die mit ihrem ungeheuren Getöse Bomben in den Libanon fliegen, oder auch nur eine Übungstour machen, die soviel kostet wie mein Jahreseinkommen.